đŸ”« ICH VERNICHTE DICH

Titel: Ich vernichte dich
Autor: Brad Parks

❀ S. (einer mir nahen Verwandten) hat dieses Buch so wahnsinnig gut gefallen, dass sie es mir in die Hand drĂŒckte. Es sei spannend, ein echter Pageturner, mit einer absolut ungewöhnlichen Handlung, so versprach sie mir.(Wir hatten uns vorab ĂŒber Krimis unterhalten – ich hatte erzĂ€hlt, dass ich in den letzten Jahren nur mehr selten Krimis lese, weil ich das GefĂŒhl habe, alles irgendwie schon zu kennen .
)
Zu lesen begonnen habe ich das Buch in Bahn. Und ich muss zugeben, ich habe mich drei Stunden lang geĂ€rgert. Und trotzdem umgeblĂ€ttert. Anfangs, weil die Bahn war sehr voll war und ich zu faul, zu meinem Koffer zu gehen und ein anderes Buch hervorzukramen (und dabei allen meine SchmutzwĂ€sche zu prĂ€sentieren). Außerdem wollte ich herausfinden, warum S. dieses Buch so gut gefiel. (Eines muss ich hier festhalten: S. hat zwar nicht immer denselben Literaturgeschmack wie ich, aber sie liest keine schlechten BĂŒcher). Also habe ich Doppelseite fĂŒr Doppelseite umgeblĂ€ttert, mich geĂ€rgert, wieder umgeblĂ€ttert.
Ja, das Buch wird dann spannend – und zwar so sehr, dass ich es eine Woche nach meiner Bahnfahrt schließlich doch zu Ende lesen musste. Und das, obwohl ich es eigentlich schon weggelegt und etwas Neues begonnen hatte â€Š 

🔖 Inhalt: Melanie möchte ihren drei Monate alten Sohn Alex von der Tagesmutter abholen und erfĂ€hrt, dass er von der FĂŒrsorge in Obhut genommen wurde. Der Grund: In Melanies Haus wurde – im LĂŒftungsschacht, gemeinsam mit ihrem Handy und einer Waage – eine ansehnliche Menge Kokain gefunden. NatĂŒrlich im Kinderzimmer. Und natĂŒrlich sind auf der Haut des SĂ€uglings Spuren der Droge nachweisbar. Als wĂ€re das nicht genug: Melanie wird auch noch vorgeworfen, ihr Kind verkaufen zu wollen. Es gĂ€be da einen Informanten, dessen IdentitĂ€t geschĂŒtzt werden mĂŒsse .

Irgendjemand möchte die arme Melanie also in die Pfanne hauen – sagt ja schon der Titel.
Warum, weiß man ab Kapitel 1, auch wer hinter all dem steckt, ahnt man frĂŒh. Das scheint auch Absicht zu sein und stört nicht (zumal man sich nie 100 % sicher ist). 

💬 Meine Meinung: Der Autor wechselt zwischen mehreren Perspektiven und lĂ€sst seine Leser*innen abwechselnd in die StaatsanwĂ€ltin (personale ErzĂ€hlweise), die mysteriösen Pflegeeltern (sehr distanzierte, auktoriale ErzĂ€hlweise) und seine Hauptfigur Melanie (Ich-ErzĂ€hlung) schlĂŒpfen. Das ist etwas, was ich normalerweise sehr mag, die Wahl der Perspektiven ist auch gut gewĂ€hlt. Vielleicht habe ich mich deswegen so geĂ€rgert – der Kunstkniff ging (zumindest fĂŒr mich) nĂ€mlich nicht auf. Die Ich-ErzĂ€hlung hĂ€tte es möglich gemacht, mit Melanie mitzuempfinden – doch die Figur kippt eigentlich nur von einem konstruierten Drama ins nĂ€chste.
Melanie wurde von den Eltern verlassen (der alkoholsĂŒchtige Vater schlug die Mutter, die sich wiederum gegen ihre Kinder entschied), Melanie musste von Heim zu Heim, von Pflegefamilie zu Pflegefamilie (weswegen sie in das FĂŒrsorge-System kein Vertrauen hat), verlor dabei ihren kleinen Bruder, fand ihn wieder, der Bruder wurde drogenabhĂ€ngig und bestahl sie immer wieder aufs Neue (jetzt ist er natĂŒrlich clean und boxt Melanie raus, u.a. indem er die Kaution hinterlegt, die er ehrlich angespart hat). Als wĂŒrde das nicht reichen, erfĂ€hrt man dann auch noch, dass Melanie vor einem Jahr vergewaltigt wurde – und natĂŒrlich ist ihr geliebter Sohn das Produkt dieser Vergewaltigung. (Da die StaatsanwĂ€ltin nach einem flĂŒsternden Serienvergewaltiger sucht, braucht es ja eine Verbindung zwischen den beiden FĂ€llen.)
Ach ja. Und dann gibt es noch Melanies Ehemann Ben, der aus Ă€rmlichen VerhĂ€ltnissen stammt und aufgrund seiner dunklen Hautfarbe diskriminiert wird – und der das weiße Kind des Vergewaltigers liebevoll als das seine annimmt. Dieser Ben wird Melanie dann in ihrer schlimmsten Zeit verlassen, aber natĂŒrlich ist am Ende alles anders als angenommen 

Und um dem Ganzen noch eines draufzusetzen: Melanie, die des Drogenhandels und Kindesmissbrauchs angeklagt wird, landet dann auch noch als Mörderin im Todestrakt.

Und da merke ich doch: Ich bin wohl einfach keine Thriller-Leserin. (Obwohl es durchaus Pageturner gibt, die auch mich faszinieren, wie etwa die Jugendthriller der Ursula Poznanski.)
Die Geschichte der kleinen Melanie und ihres Bruders hÀtte mich interessiert. Auch die Geschichte einer Mutter, der ihr Kind zu Unrecht weggenommen wird, wÀre ein Roman gewesen, den ich gerne gelesen hÀtte. Allerdings nicht in Thrillerform.
FĂŒr einen Krimi wiederum hĂ€tte mir der flĂŒsternde Serienvergewaltiger gereicht, ich mochte auch die StaatsanwĂ€ltin sehr. 
Aber alles in einem einzigen Roman war mir dann einfach zu viel des Guten.

Tja. Und als ich dann endlich am Ende angelangt war, enttĂ€uschte mich auch noch die Auflösung. Der TĂ€ter ist der, den man vermutet – was okay gewesen wĂ€re, wenn seine ÜberfĂŒhrung nicht wie das weiße HĂ€schen aus dem Hut gezogen worden wĂ€re. 
»So ein Topfen«, meint mein Mann immer, wenn ich mir einen Thriller-Mehrteiler auf Arte anschaue. (Ich muss nĂ€mlich gestehen: Bei den Arte-Serien hĂ€tte mir exakt dieselbe an den Haaren herbeigezogene “Viel-zu-viel-des-Guten-Handlung” durchaus gefallen!)

Warum es ausgerechnet BĂŒcher wie »Ich verrate dich« regelmĂ€ĂŸig auf die Bestsellerlisten schaffen? Vielleicht aus demselben Grund, warum ich mir von Zeit zu Zeit gerne diese Arte-Thrillerserien reinziehe. Sie erzeugen Spannung, sind meist ein bisserl außergewöhnlich, und schon kippt man fĂŒr viele Stunden rein (um sich nachher zu Ă€rgern, wertvolle Zeit vertan zu haben.)
Mit einem Wort: Sie sind ideal, um dem Alltag zu entfliehen. Das Herz geht einem dabei allerdings nicht auf 
 und das ist es halt doch, was ich beim Lesen brauche. 

Mein Fazit: Bilden Sie sich eine eigene Meinung! 
Das Buch hat viele gute RĂŒckmeldungen auf Amazon, auch hat der Autor drei wichtige amerikanische Krimipreise gewonnen. Leser*innen, denen authentische Figuren und HandlungsstrĂ€nge wichtiger sind als der Thrill, werden eventuell denselben BegleitĂ€rger verspĂŒren wie ich.

Leihgabe von S.P.

Titel: Ich vernichte dich
Autor: Brad Parks
Übersetzung: aus dem Amerikanischen von Irene Eisenhut
Genre: Thriller
Verlag: S. Fischer
Publikationsjahr deutsche Ausgabe: 2018
ISBN: 978–3‑5996–70225‑1 
Seiten: 477
> Verlag / Leseprobe

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