Titel: Das Hortschie-Tier und die Lurex-Frau
Autor: Manfred Chobot

Im Mai ist er fĂŒnfundsiebzig Jahre alt geworden, und nach wie vor gehört Manfred Chobot zu den produktivsten Autoren unseres Landes. Dass selbst Pandemie und Lockdown ihn nicht vom Schreiben abhalten konnten, versteht sich von selbst, denn wozu könnte der âHeimarrestâ besser dienen, als um neue Kopfgeburten zu Papier zu bringen? Mehr als 130 âHyper-Texteâ versammeln sich auf den insgesamt 360 Seiten des in der edition lex liszt 12 erschienenen Werkes, kleine HĂ€ppchen also, die zu jeder Tages- und Nachtzeit konsumiert werden können â und ja, ich möchte behaupten, Chobots Texte sind wie eine Schachtel Pralinen, die man sich zwischendurch gönnt (oder man steckt sich auch mal 15 auf einmal in den Mund/ ins Leser:innen-Hirn.)
Ein paar kurze Einblicke?
Gleich zu Beginn reisen wir nach Chicago, wo sich der Ich-ErzĂ€hler (aber ja, man darf sich ruhig den Chobot vorstellen) in einer wilden Knutscherei den Zahnstein entfernen lĂ€sst. Besonders lustig: das Weihnachtsfest bei der HausĂ€rztin oder auch die spektakulĂ€re Fahrt ins obere Stockwerk durch Hyperventilieren (funktioniert jedoch nur mit einem geknicktem Trinkhalm) und das anschlieĂende Picknick im Bundeskanzleramt. Dort wird der Ich-ErzĂ€hler (aber ja, sicher ist es der Chobot!) von KurzÂŽ Oma â trotz Pandemie und Kontaktverbot! â mit einer herzlichen Umarmung begrĂŒĂt und brennt dann, bevor man ihn hinauswirft, ein Loch in den Teppich. (Na, wenn ihm auch niemand einen Aschenbecher reicht!)
Nun gut, ab und zu erweist es dann vielleicht doch als nicht so gĂŒnstig, wenn man sich immer den Chobot vorstellt. SpĂ€testens, wenn es nĂ€mlich etwa heiĂt: âUm ein Kind zu gebĂ€ren, lag ich im Krankenhausâ. Da muss man sich als Leser:in wieder zur RĂ€son rufen und daran erinnern, dass ein Ich in der Literatur eben doch ein fiktives Ich ist und man es auch mit (mehr oder weniger) fiktiven Nebenfiguren zu tun hat. Auch wenn diese als Lessing, Hölerlin, Jelinek oder Hrdlicka (mit grĂŒnem Steiererhut!) in Erscheinung treten.
Manches ist ĂŒbrigens nicht ganz jugendfrei â âungeeignet fĂŒr Jugendliche unter 17 3/4 Jahren wird etwa unter dem Kapitel âTurtle mich Taube!â gewarnt. In diesem Kapitel trifft man dann auch auf das Hortschie-Tier, das sich fĂŒr den Protagonisten allerdings nicht gerade als lustfördernd herausstellt âŠ
Chobots Texte sind wie die Bilder von Salvador DalĂ â wie in einem Traum bin ich dem durch seine erotischen, schrĂ€gen und manchmal auch unheimlichen âTagrestverarbeitungenâ bzw. sein Fabulier-und-Erinnerungsfaschiertes gefolgt.
Ja, fast kam es mir so vor, als hÀtte der Manfred sich mit seinen Texten wÀhrend der Lockdowns selbst bei Laune gehalten. Wie schön wÀre es doch gewesen, hÀtten auch wir diese Texte damals schon gehabt. Aber jetzt sind wir ja schon mitten in der nÀchsten Krise. Vielleicht sollten wir uns einfach nach jedem Mal Nachrichten-Hören eine Manfred Chobot-Geschichte reinziehen, um bei Laune zu bleiben. Und wenn es in unseren mit russischem Gas geheizten Wohnzimmern diesen Winter tatsÀchlich so kalt wird wie im 46er-Jahr bei meiner Hedi*, könnten wir mit den gelesenen Seiten ja sogar einen selbstgebastelten Hausfreund befeuern. (Aber da das Buch gar so schön illustriert ist, werden wir vielleicht doch lieber frieren.)
(Diese Rezension wird â in etwas abgeĂ€nderter Form â im neuen Morgenschtean erscheinen, der Mitte November erscheint.)
*Hedi war meine heimliche Lieblingsfigur in meinem DebĂŒtroman Mittelstadtrauschen


Titel: Das Hortschie-Tier und die Lurex-Frau
Autor: Manfred Chobot
Illustrator: Walter Schmögner
Verlag: edition lex liszt 12
Seiten: 370
ISBN: 978â3â99016â218â0