đŸ›‹ïž WEANA GSCHICHT und WEANA GSCHICHTLN

Titel: Weana Gschicht und Weana Gschichtln – Fom End fon da Ma nachie bis hĂ€ht
Autor: Ludwig Roman Fleischer

Im Sommer erschien Band zwei von Ludiwig Roman Fleischers Weana Gschicht und Weana Gschichtln. Wurde in Band eins in rasendem Tempo Wiens Geschichte “fon da StahzÀÀd bis zur Easchtn Republik” zusammengefasst , geht es im zweiten Teil um die 100 Jahre zwischen dem “End fon da MaƋnachie bis hĂ€ht”.
A bissadl nasaler scheint dem Fleischer sein Ton als der seiner Wiener Kolleg:innen, so kommt es einem zumindest beim ersten DurchblĂ€ttern vor, wenn man etwa die KapitelĂŒberschrift „FriednsfatrĂ„g fon SĂ€uƋ ScheamĂ€uƋ“ liest.
Abschrecken soll diese Schreibweise aber nicht, ganz um Gegenteil. Allein schon, weil man sich die Geschichtslektionen und EinschĂŒbe ĂŒber die “Weana OriginĂ€ula” (wie etwa die NöstliƋnga Christl, die MĂ„hla Alma oder den Schnekadl Prohaska) vorlesen lassen kann, das Buch enthĂ€lt nĂ€mlich wieder 2 CDs. Und auf diesen plaudert der „Wickadl“ mit einem Dialekt und einer Stimme, dass man, sobald man zu Ende gehört hat, gleich nochmals von vorn beginnen möchte (ich hab’s dann auch getan). (Und wenn man die CDs einmal gehört hat, versteht man auch die Niederschrift und liest sie quasi mit links.)
Dass in den ersten Lektionen von den KatzlmĂ„cha (fĂŒr Italiener) und den MammelaadiƋnga (fĂŒr Deutsche) die Rede ist, hat uns in der Morgenschtean-Redaktion natĂŒrlich aufhorchen lassen. Andererseits: Gehören nicht auch diese Wörter zur Geschichte Wiens und vor allem zum damaligen Sprachgebrauch?
Und falls sich jetzt jemand von unseren jungen Leser*innen fragt, woher die abfĂ€llige Bezeichnung KatzlmĂ„cha, die man in den 60ern noch fĂŒr die italienischen Gastarbeiter verwendete, kam: mit Katzen oder gar Kinderkriegen hat der Begriff nichts zu tun. Man kann das Wort jetzt natĂŒrlich googlen – oder sich Fleisches “Weana Gschicht und Weana Geschichtln” besorgen. Was ich an dieser Stelle ohnehin wĂ€rmstens empfehlen möchte. Denn der Crashkurs in Geschichte frischt nicht nur so manches Wissen auf und vertieft es sogar an einigen Stellen, sondern macht – im Gegensatz zu den faden VortrĂ€gen der meisten Lehrenden – auch unheimlich Spaß, und: Man lernt darĂŒber hinaus so richtig schön Weanarisch. 

Noch spannender als die erste CD empfand ich dann fast die zweite. Auf der geht es nĂ€mlich um die jĂŒngste Zeitgeschichte, die natĂŒrlich nicht nur Wien, sondern ganz Österreich betrifft. Fleischer ruft ZusammenhĂ€nge in Erinnerung, die vielen WĂ€hler:innen heute entweder egal oder einfach nur wuscht zu sei scheinen – ich sag’ nur: GrĂŒndung der FPÖ. Eventuell, so meint Fleischer, war der Schachzug vom Kreisky, es sich mit den alten Nazi gut zustellen “wĂ€u’s zfĂŒh dafaƋ gibt und’s bessar ist, ma integriad’s bĂ€h de Roodn, ois wia si geƋngan zu de FrĂ€hhĂ€htlichn”, gar nicht so unklug.
FĂŒr die heute ZwanzigjĂ€hrigen ist wahrscheinlich selbst die Ära Kreisky schon grauer Schnee von gestern – ebenso wie die roten und schwarzen ParteibĂŒcherln, ohne die man sehr lange nicht weit gehupft ist in Wien.
Die letzten zwei Jahrzehnte – vom MĂŒllehnjum bis hĂ€ht – hĂ€tte ich mir dann fast auf einer eigenen, dritten CD gewĂŒnscht. Aber da wird wohl erst noch ein bisserl Gras ĂŒber manches wachsen mĂŒssen, bis der Wickadl wieder mit dem RasenmĂ€her kommt, um so manches, was Wean lieber vergessen möcht, wieder offenzulegen. 

(rezensiert fĂŒr Morgenschtean – Die österreichische Dialektzeitschrift, U74-75/Nov. 2022
> ein Interview, das ich mit dem Autor gefĂŒhrt habe, kann hier gelesen werden)

Weana Gschicht und Weana Gschichtln
Fom End fon da Ma nachie bis hÀht. Geschichte Wiens auf Wienerisch
mit 2 Audio-CDs
Autor: Ludwig Roman Fleischer
Verlag: Sisyphus

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