đŸ›č KEIN EINZIGES WORT

Titel: Kein einziges Wort
Autorin: Andreas Jungwirth
empfohlenes Lesealter: ab 12 Jahren

“Kein einziges Wort” ist schon etwas Ă€lteres Jugendbuch, das ich aus der BĂŒcherei mitgenommen hatte – heute Nachmittag war endlich der richtige Zeitpunkt dafĂŒr. 

🔖 Inhalt:
Der zwölfjĂ€hrige Simon ist mit seinen Eltern aufs Land gezogen – gegen seinen Willen, denn was hat man als Jugendlicher schon mitzureden, wenn die Eltern sich verĂ€ndern wollen. Simon, der offensichtlich seit seinem Zuzug ins Dort eisern schweigt (aus Protest), ist in der Klasse nicht besonders beliebt. Als er von MitschĂŒlern bedrĂ€ngt wird, taucht der um zwei Jahre Ă€ltere Chris auf und hilft ihm aus der Klemme. Chris, der in derselben Straße wie Simon wohnt und dessen Vater bei einem BergunglĂŒck ums Leben kam – so zumindest soll man es glauben – ist nicht gerade ein Freund, wie man ihn sich fĂŒr den eigenen Sohn wĂŒnscht. Chris setzt sich nĂ€mlich permanent ĂŒber Regeln hinweg und kommandiert Simon rum. Simon selbst tut, was Chris von ihm verlangt – nicht aus Freundschaft, aber weil Chris der Einzige ist, den Simon hier kennt. Und weil er ihm was schuldig ist. Selbst als Chris im Regen stundenlang am Teich sitzt, um zu angeln, bleibt Simon, der ziemlich friert, geduldig neben ihm. Am Ende muss er seinen “Freund” sogar aus dem Teich fischen; Chris landet mit einer LungenentzĂŒndung im Bett. Jungwirth ist da eine ziemlich beklemmende Szene gelungen, auch dass sich Chris Eltern zu diesem Zeitpunkt beginnen Sorgen zu machen, ist nachvollziehbar.
Doch dann nimmt die Handlung eine komplett andere Wendung als gedacht – nĂ€mlich die, die man am Klappentext liest und die mit Chris dann gar nicht so viel zu tun hat, wie man anfangs vermutet.
Als Simon eines Tages im Maisfeld nĂ€mlich einen toten Hund mit aufgeschlitzter Kehle findet – mit einem Messer im Gras und einer auf einen Zettel geschriebenen “Letzten Warnung” – taucht plötzlich ein Erwachsener auf, der Simon befiehlt, besser den Mund zu halten. Als die Polizei am Ort ankommt, sind das Messer und der Zettel verschwunden. Simon schweigt, obwohl die Polizistin die Sache durchschaut un dem Jungen anbietet, ihm zu helfen. Kurze Zeit spĂ€ter bekommt Simon einen Drohanruf – kein einziges Wort dĂŒrfe er sagen, sonst .
 Also sagt er nichts. Weder der netten Polizistin gegenĂŒber, die ihm helfen will, noch seinen Eltern gegenĂŒber.
Was dann noch passiert: Simons Schwester Anne kommt nach Hause und verkĂŒndet, ihr Studium hinzuschmeißen und mit einer Band auf Tournee zu gehen. Mit ihren Eltern, die sie fĂŒr spießig, karrieresĂŒchtig und egoistisch hĂ€lt, will sie nichts zu tun haben. Wieder ein neuer Handlungsstrang also, der fĂŒr sich allein Potenzial fĂŒr einen ganzen Roman hĂ€tte. Warum es Anne ĂŒberhaupt braucht? Das Ganze wird nĂ€mlich ziemlich emotionslos beschrieben, wenngleich viel geweint und geschrien wird. Anne taucht auf und verschwindet wieder, kurze Zeit spĂ€ter brennt das Haus des alten Bauern – jenes Bauern, dessen Hund
 Genau. Hier wird es durchaus spannend, den Simons Leben hĂ€ngt an diesem Abend am seidenen Faden. Auch scheint Chris ein Geheimnis zu haben, das mit dem alten Bauern zu tun hat. Aber kaum ist man wieder drin in der Story, geht es fĂŒr Simon schon wieder woandershin, zu den Großeltern ans Meer, wo er sich in Silke verknallt und am Konzert seiner eigenen Schwester landet, die natĂŒrlich grandios singt, der es sonst aber gar nicht gutzugehen scheint.
Am Ende gibt es dann noch einen thrillermĂ€ĂŸigen “Showdown”, mit an die Stirn gepresster Pistole und knatternden MotorrĂ€dern. Und ja, Simon macht seine Aussage bei der Polizei.

Ich habe mich durch dieses Buch geĂ€rgert. Permanent wurden neue Problemfelder aufgemacht, die alle an der OberflĂ€che blieben, auch wirkten die Figuren zunehmend unglaubwĂŒrdig. Bei Chris kam es mir sogar so vor, als hĂ€tte sich der Autor mittendrin umentschieden. Dass obendrein gefĂŒhlte 20 % des Textes aus Versalien bestehen, macht die Sache nicht besser. Ein System dahinter hab ich nicht erkannt, es sei denn: Ein paar Seiten lang habe ich versucht, nur die in Blockbuchstaben geschriebenen Passagen/ Wörter zu lesen, und tatsĂ€chlich bekommt man die Handlung allein dadurch in groben ZĂŒgen mit. Vielleicht eine Hilfestellung fĂŒr lesefaule Teenager? Falls das Buch mal SchullektĂŒre wird?

Schade. Denn die knappe, flotte Sprache des Autors hat mich durchaus angesprochen, auch hat die Geschichte der beiden Jungs absolut beklemmend begonnen. Was es hier gebraucht hĂ€tte: Einen gutes Lektorat. Meiner Meinung nach wĂ€re es sinnvoll gewesen, sich auf diesen Handlungsstrang zu konzentrieren. Gerne hĂ€tte ich mehr ĂŒber Simons Schweigen zu Beginn erfahren, auch ĂŒber das Mobbing durch seine MitschĂŒler, generell ĂŒber Simons Klasse, von der man nie etwas erfĂ€hrt. Es geht ja nicht mal wirklich um Chris. Stattdessen tauchen neue Bösewichte und eine “aus dem Ruder gelaufene” Schwester auf. Die Sorgen der Eltern, dass Chris Therapie brĂ€uchte, existieren nur einen kurzen Augenblick lang und werden wieder fallen gelassen. Wie so vieles einfach fallen gelassen wird. Die Handlung zerfasert zunehmend und am Ende hat man das GefĂŒhl, drei BĂŒcher nur zur HĂ€lfte gelesen zu haben.

Stadtbibliothek Graz

Titel: Kein einziges Wort
Autor: Andreas Jungwirth
Verlag: Ravensburger
Erscheinungsjahr: 2014
Seiten: 350
ISBN: 978–3‑473–40114‑7

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