📘 SCHICKSAL

Titel: Schicksal
Autorin: Zeruya Shalev

Zeruya Shalev gehörte frĂŒher zu meinen absoluten Lieblingsautorinnen. Als ich ihr Schicksal bei unserem Besuch in der Buchhandlung entdeckte, musste ich es daher sofort mitnehmen, ich habe nĂ€mlich schon lĂ€nger nichts mehr von der israelischen Autorin gelesen.

Kurz zum Inhalt:
Auf dem Sterbebett ihres Vaters erfÀhrt Atara von dessen erster Frau Rachel, die er Zeit seines Lebens nicht vergessen konnte, vor seiner Familie jedoch immer verschwiegen hat. Aber wer war diese Rachel, die mit dem Vater im Widerstand war (Untergrundorganisation Lechi), damals, als die Briten noch die Macht im Land hatten?
Atara bittet Rachel um ein GesprĂ€ch – doch da deren Sohn anwesend ist, erfĂ€hrt Atara nicht viel. Ein paar Tage spĂ€ter bekommt sie die Einladung, erneut nach Jerusalem zu reisen. Indes erkrankt Ataras Ehemann schwer. Eine schwere Darmgrippe, so zumindest vermutet man im Krankenhaus. Doch der vermeintliche Darminfekt entpuppt sich als Sepsis. Zwei Tage spĂ€ter ist Atara Witwe und bleibt mit ihrem Sohn zurĂŒck, dem die letzten Worte seines Vaters nicht mehr aus dem Kopf gehen und der sich auf die Suche nach einem Sinn macht – ausgerechnet bei Rachels Sohn, dem Rabbiner.

Der Roman wird abwechselnd aus Ataras Sicht und dann wieder aus Sicht der alten Rachel erzĂ€hlt. Beide sind von SchuldgefĂŒhlen zerfressen — Atara hat das GefĂŒhl, fĂŒr ihren Mann stets weniger da gewesen zu sein als fĂŒr ihre Kinder und seine Krankheit nicht ernst genug genommen zu haben . Rachel wiederum war fĂŒr ihre Söhne nie greifbar, denn die Erlebnisse ihrer frĂŒhen Jugend (die vielen toten Freunde) haben sie kalt und hart werden lassen, vor allem aber ist Rachel, die fĂŒr die Existenz Israels damals alles aufs Spiel gesetzt hat, enttĂ€uscht, dass sie und ihre MitkĂ€mpfer*innen nach wie vor als Terroristen angesehen werden, dass ihre Taten nie gewĂŒrdigt und dass die Opfer nie anerkannt wurden. Immerhin gĂ€be es Israel nicht ohne sie. Wie kann ihr Ă€lterer Sohn ihre Taten nur mit denen der PalĂ€stinenser gleichsetzen? 

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WĂ€hrend ich die Beziehungsgeschichte des Ehepaares beziehungsweise der Patchwork-Familie wahnsinnig schön beschrieben fand – der Tod von Ataras Ehemannes hat mich so richtig mitgenommen, ich musste das Buch direkt weglegen – kam mir die Geschichte der alten Rachel ein bisschen zu kurz. Rachel verschwindet im Mittelteil der Handlung beinahe, man ist hier ganz bei Atara, sodass Rachel ein bisschen ins Hintertreffen gerĂ€t. Fast zuviel Stoff fĂŒr nur einen Roman.

Insgesamt ist Schicksal also der Roman von Zeruya Shalev, der mir bis jetzt am wenigsten gefallen hat, wenngleich er vor allem im Mittelteil sehr packend und eindringlich ist, sodass ich ihn dennoch in meine Empfehlungen aufnehme. Vor allem aber zeichnet die Autorin ein modernes Bild des Lebens in Israel – das geprĂ€gt ist von privaten Sorgen und der verloren gegangenen Illusion auf ein friedliches Zusammenleben.
Fans von Zeruya Shalev werden das Buch ohnehin schon gelesen haben – wer die Autorin kennenlernen möchte, sollte in jedem Fall ihre Trilogie lesen ( “Liebesleben” – “Mann und Frau” sowie “SpĂ€te Familie” – allesamt wunderbare BĂŒcher!)

Titel: Schicksal
Autorin: Zeruya Shalev
Übersetzung aus dem HebrĂ€ischen: Anne Birkenhauer
Verlag: Berlin Verlag
Erscheinungsjahr: 2021
Seiten: 416
ISBN: 978–3‑8270–1186‑2

Verlagsbeschreibung: Ein Generationenroman mit aktuellen politischen AnklĂ€ngen, ein großes Beispiel moderner Frauenliteratur, die zugleich Weltliteratur ist. 
Atara ist zum zweiten Mal verheiratet, mit ihrer großen Liebe, doch neuerdings scheint Alex sich immer weiter von ihr zu entfernen. Noch grĂ¶ĂŸere Sorgen macht ihr der gemeinsame Sohn, ein Elitesoldat, der nach dem letzten Einsatz kaum mehr das Haus verlĂ€sst. Vielleicht um ihre Familie besser zu verstehen, vielleicht um ihr zu entkommen, sucht Atara Rachel auf, die erste Frau ihres Vaters, das große Tabu in Ataras Kindheit 
 
Die Idealistin Rachel scheint die Vergangenheit zu verkörpern — sie kĂ€mpfte mit dem Vater in der Untergrundmiliz gegen die EnglĂ€nder und fĂŒr einen israelischen Staat. Doch die Begegnung der beiden Frauen mĂŒndet in eine Katastrophe in der